Jonathan Rabe
Im Rahmen meines Studiums der Informatik in Paderborn wurde es mir durch eine Partnerschaft zwischen dem GETlab der Universität Paderborn und der School of Automation der Beihang University ermöglicht, ein Semester in Peking an der Beihang University zu studieren. Dieses Semester stellte sich als eine überragende Horizonterweiterung für mein Studium und eine unvergessliche Bereicherung meiner persönlichen Erfahrungen heraus. Im folgenden Bericht versuche ich sowohl eigene Eindrücke zu schildern, als auch zukünftigen Programmteilnehmern Hilfestellungen zu geben.
Vorbereitung
Ich hatte mich zwar bereits knapp ein Jahr vor dem Austausch beworben, jedoch erhielt ich die Zusage, aufgrund von Verzögerungen bei den Fördergeldern, erst etwa 2 Monate vor der Abreise. Glücklich wie ich über die Zusage war musste nun aber schnell alles organisiert werden:
Unterlagen der Beihang University, Reisepass mit Visum
Das Visum habe ich in Berlin selbst beantragt und abgeholt. Es gibt allerdings auch diverse Agenturen die das gegen eine Gebühr übernehmen; der direkte Postweg zur Botschaft wird leider nicht akzeptiert.
Auslandskrankenversicherung, Flugbuchung
Ich habe Hin- und Rückflug einzeln gebucht und bin durch jeweils zufällig gefundene Rabattaktionen günstig davongekommen, es wäre trotzdem zu empfehlen Hin- und Rückflug gemeinsam zu buchen und ggf. später den Rückflugtermin zu ändern.
Nachweise über Visum, Krankenversicherung und Flugbuchung möchte die Universität vor Abreise erhalten.
Ferner ist zu empfehlen:
- Impfungen:
Neben den Standardimpfungen sollten mindestens noch Hepatitis A und B dabei sein. Was genau im Moment zu empfehlen ist weiß aber der Hausarzt besser.
- Absprache mit dem Prüfungsbeauftragten und eventuell Fachdozenten des eigenen Studiengangs wegen Anerkennung von Leistungen im Ausland
- sich etwas mit der chinesischem Sprache auseinandersetzen, zum Beispiel im Chinesischkurs der Universität Paderborn.
-
sich, sofern sonst keine Kenntnisse vorhanden, mit dem Benutzen von Essstäbchen vertraut machen
Nachdem alles geregelt war konnte es also losgehen.
Die Ankunft
Nach einem anstrengenden Flug mit längerem Zwischenstopp in St. Petersburg kam ich zwei Tage vor Sanjoy, dem anderen Programmteilnehmer aus Paderborn mit dem ich später mein Zimmer geteilt habe, am Beijing Capital Airport an. Dort empfingen mich Hanguang und Jianxun, zwei Studenten von Prof. Yuan Mei, die später selbst nach Paderborn aufbrechen würden. Nach halbstündiger Taxifahrt erreichten wir die Beihang Universität, wo mich meine chinesischen Begleiter durch die für meinen übermüdeten Verstand zu komplizierte und von Menschenschlangen überfüllte Anmeldebürokratie lotsten. Auch um eine chinesische Sim-Karte kümmerten sie sich und zeigten mir den Weg zu meinem Wohnort für das nächste halbe Jahr.
Das Studentenwohnheim
Für Ausländer gibt es an der Beihang Universität zwei Studentenwohnheime. Das erste ist das Foreign Students Dormitory, speziell für Ausländer entworfen besticht es durch westlichen Luxus wie 1-Bett-Zimmer und eigener Küche.
Ich wurde im anderen Studentenwohnheim, dem DaYunCun, untergebracht. Hier gibt es 2-Bett-Zimmer von denen jeweils zwei zu einer Wohnung zusammengefasst sind. Vorteile sind hier zum einen die Lage am Rand der Universität direkt an einer U-bahn-Station, zum anderen die Tatsache, dass alle Ausländer in den obersten (16. bis 19.) Stockwerken untergebracht werden, was in meinem Fall zu einem fantastischen Ausblick über die Pekinger Skyline geführt hat.
Leider war das Zimmer als ich ankam in keinem guten Zustand, so dass Handwerker beantragt werden mussten, was auch Hanguang und Jianxun erledigten. Ansonsten war mein Mitbewohner aus dem anderem Zimmer, ein Nigerianer der in China Maschinenbau studiert, sehr hilfsbereit und konnte mir dank seiner Chinesischkenntnisse gut bei Beantragung des Internets, ersten Einkäufen auf Märkten, etc. helfen.
Die Kosten für ein Bett im DaYunCun betragen 550 Yuan (je nach Wechselkurs etwa 55 Euro) und im Monat und 500 Yuan Kaution, hinzu kommen Kosten für Strom (mit dem auch die Heizung betrieben wird), Kosten für Internet (120 Yuan für 2Mbit-flatrate im Monat + etwa 100 Yuan Einrichtungsgebühr und 200 Yuan Modempfand) und sehr geringe Kosten für (nicht trinkbares) Leitungswasser. Im Keller des Gebäudes befindet sich eine Wäscherei, in der für 5 Yuan Kleidung gewaschen werden kann. (Waschmittel muss bei Bedarf selbst mitgebracht werden)
In naher Umgebung des Wohnheims sind neben bereits erwähnter U-bahn-Station jede Menge Restaurants und mehrere Geschäfte.
Verpflegung
Da der Weg vom DaYunCun zu einer der Mensen etwas weiter ist, habe ich oft in Restaurants in Wohnheimnähe gegessen. Geschmacklich gesehen meiner Meinung nach kein Nachteil und preislich auch im Rahmen:
Mensaessen - schwierig für eine Mahlzeit mehr als 10 Yuan zu bezahlen, geschmacklich teilweise stark erfahrungsabhängig (sehr große Auswahl)
Essen in Wohnheimnähe – satt kann man schon ab 5 Yuan werden, spätestens bei 15 bis 20 Yuan bekommt man dann auch sehr gutes Essen. Besteht man auf westliche Nahrung sollte man noch etwas mehr Geld einplanen.
Einkaufsmöglichkeiten sind in DaYunCun-Nähe ausreichend vorhanden:
Neben mehreren kleinen Einkaufsläden auch ein Supermarkt (etwas versteckt im zweiten Stockwerk eines Gebäudes an der ZhiChunLu). Zusätzlich ist ein riesiger Drei-Etagen-Walmart fußläufig erreichbar (hinter der U-bahn-Station).
Unialltag
Da ich im Bachelor bereits scheinfrei war, hatte ich bei der Wahl meiner Tätigkeiten die freie Auswahl. Von der International School wurden diverse englischsprachige Vorlesungen angeboten, darunter auch mehrere fachspezifische. Ich habe den wöchentlich 20-stündigen Chinesischkurs belegt und im Labor ein Projekt zum Thema automatisiertes Deblurring und Denoising (Bildverarbeitung) gemacht. Mein Fokus lag allerdings klar auf dem Chinesischkurs. Da ich über einige Vorkenntnisse verfügte konnte ich im etwas fortgeschrittenen Kurs sehr gut mitkommen und habe durch zusätzliches Tandemlernen mit Chinesen (die Beihang University verfügt über ein German-Department an dem Germanistik gelehrt wird) meine Kenntnisse sehr gut vertiefen können.
Der Chinesischkurs selbst bestand aus 4 Teilen:
Sprechen – 8 Stunden pro Woche
Lesen – 8 Stunden pro Woche
Hörverstehen – 4 Stunden pro Woche
Schreiben – 4 Stunden pro Woche (freiwillig, d.h. weder Anwesenheitspflicht noch abschließende Prüfung)
Die Betreuung
Die Betreuung durch Prof. Yuan Mei war sehr herzlich und liebevoll. Wir konnten uns mit allem an sie wenden und sie hat ihr Bestes getan, um uns zu helfen. Als sie beispielsweise erfahren hat, dass wir (Sanjoy und ich) etwas krank waren, schickte sie sofort einen ihrer Studenten mit einem riesen Berg Obst bei uns vorbei, um uns mit den für die Genesung notwendigen Vitaminen zu versorgen
Peking & Freizeitgestaltung
Peking ist für einen gebürtigen Bielefelder wie mich vor allem erstmal eins: riesig! Sehenswürdigkeiten, Einkaufsmöglichkeiten, Freizeitangebote, etc. alles in hohem Maße vorhanden.
Bei Sehenswürdigkeiten fängt es bei Klassikern wie der Verbotenen Stadt, dem Sommerpalast, dem Himmelstempel und etwas außerhalb der Stadt der chinesischen Mauer an. Dort hört es jedoch keines Falls auf. Am besten sollte man einen Guide mitnehmen oder dort kaufen, wenn man alles sehen möchte.
Kulturell sind sonst unter anderem noch die Peking Oper und die chinesischen Akrobatikshows weit über die Stadt- und Landesgrenzen hinaus bekannt.
Kulinarisch darf natürlich die Pekingente (ja, sie heißt auch in Peking so) nicht unerwähnt bleiben.
Die Einkaufsmöglichkeiten decken jeden Bedarf. Neben unzähligen Shoppingmalls gibt es zum Beispiel ganze Stadtviertel voll von Elektroartikeln (ZhongGuanCun), die bei Touristen bekannte Einkaufsstraße WangFuJing, riesige Märkte wo Touristen über den Tisch gezogen werden (Pearl Market, Silk Market) und sogar deutsche/europäische Importläden (Lufthansacenter).
Außer in Supermärkten sind die Preise in der Regel Verhandlungssache, was Zeit kostet, aber auch großen Spaß machen kann und nebenbei das eigene Chinesisch verbessert.
Wer nach westlicher Freizeitabendgestaltung, sprich Bar/Diskothek, sucht, wird in Peking ebenfalls fündig. Allerdings ist der Ausländeranteil dort oft deutlich höher als im Bevölkerungsschnitt.
Die International School hat mehrere, sehr günstige Fahrten zu Sehenswürdigkeiten, wie der Chinesischen Mauer und einer Akrobatikshow organisiert, an denen ich immer gerne teilgenommen habe.
Reisen
Reisen in China kann sehr günstig sein. Für Budgetreisende ist die Bahn oder der Langstreckenbus Fortbewegungsmittel Nummer Eins. Wenn man Preise vergleicht ist es an manchen Tagen aber auch möglich günstig an Flugtickets zu kommen. Unterkunft findet man preiswert in Backpackerhostels; in den meisten Städten zahlt man nicht mehr als 30 Yuan pro Nacht für ein Bett. Ergänzend sind auch Nachtzüge mit Bett zu empfehlen (sog. Hardsleeper).
Ich habe nach Abschluss meines Semesters an der Beihang University eine längere Tour durch viele Städte in Südchina gemacht. Dadurch, dass ich alleine gereist bin und sehr viele Menschen in China kein Englisch können, war ich gezwungen mein Chinesisch anzuwenden. Es gibt in Südchina zwar viele unterschiedliche Dialekte die sich sehr stark unterscheiden, allerdings konnten alle Chinesen die ich dort getroffen habe zumindest stückweise auch Hochchinesisch; die etwas jüngeren im Studentenalter sowieso. Unterwegs habe ich Kontakte zu Chinesen aus den unterschiedlichsten sozialen Schichten aufbauen können. Es war ein unvergessliches Erlebnis, das ich nur jedem empfehlen kann.
Hinweis für zukünftige Programmteilnehmer
Da wir uns für das Leben in China einige Dinge gekauft hatten, die wir aufgrund des begrenzten Gepäcks aber nicht mit zurück nach Deutschland nehmen wollten, kam Sanjoy auf die Idee eine Kiste mit eben jenen Gegenständen anzulegen, die von Jahr zu Jahr den folgenden Programmteilnehmern weiter vererbt werden kann. Es handelt sich dabei um Dinge wie Kleiderbügel, Kartenmaterial zu Peking, verschiedene Bücher, etc.. Wir hoffen, dass diese Kiste den Programmteilnehmern der nächsten Jahre nützt, weitergegeben werden kann und eventuell sogar ergänzt wird. Um zu erfahren was sich derzeit in der Kiste befindet oder wie man diese erhält am besten die jeweils letzten Programmteilnehmern fragen.
Fazit
Ich habe meine Zeit an der Beihang University sehr genossen und Peking und China lieben gelernt. Vor allem das Erlernen der chinesischen Sprache hat mich persönlich, wie karrieretechnisch sehr viel weiter gebracht. Die chinesische Bevölkerung ist sehr Ausländer-freundlich und bei anhaltender wirtschaftlicher Entwicklung ist China ein ständig attraktiver werdender Ort zum Arbeiten und Leben an den ich sehr gerne wieder zurückkehren werde. Ich danke allen, die beim Ermöglichen dieses Auslandssemesters mitgewirkt haben. Jeden, der eine solche Möglichkeit hat, möchte ich dazu ermutigen diese wahrzunehmen. Es lohnt sich!